(Januar 2019)

 

Am Abend des 15 Januar 1919 verschleppten fünf Männer der selbsternannten Bürgerwehr Wilmersdorf Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht aus ihrer Zufluchtsstätte in der Mannheimer Straße in Berlin Wilmersdorf und brachten sie ins Hauptquartier der Garde-Kavallerie-Schützendivision, ins Eden-Hotel gegenüber dem Zoo. Faktischer Kommandant dieses Freikorps war Hauptmann Waldemar Pabst. Pabst schreibt in seinen unveröffentlichten Memoiren dazu: »Dann ging ich wieder in mein Büro, um mir in den wenigen Minuten, in denen ich in einer gewissen Ruhe nachdenken konnte, mir zu überlegen, wie die Exekution an diesen beiden nach unserer Auffassung schwer schuldigen Spitzen Landes- und Hochverrätern durchgeführt werden solle. Dass sie durchgeführt werden musste, darüber bestand bei Herrn Noske und mir nicht der geringste Zweifel, als wir über die Notwendigkeit der Beendigung des Bürgerkrieges sprachen. Aus Noskes ›Andeutungen‹ musste und sollte ich entnehmen, auch er sei der Ansicht, Deutschland müsse so schnell wie möglich zur Ruhe kommen. […] Über das ›Dass‹ bestand also Einigkeit. Als ich nun sagte, Herr Noske, geben Sie bitte Befehle über das ›Wie‹, meinte Noske: ›Das ist nicht meine Sache! Dann würde die Partei zerbrechen, denn für solche Maßnahmen ist sie nicht und unter keinen Umständen zu haben. Das soll der General [gemeint ist von Lüttwitz, Pabsts Vorgesetzter] tun, es sind seine Gefangenen.«

Am 17. Dezember 1968 versicherte Waldemar Pabst „unter uns“ dem ehemaligen Marinerichter und Rechtsanwalt Otto Kranzbühler den weiteren Verlauf des Gesprächs mit dem Volksbeauftragten und zivilen Oberbefehlshaber Gustav Noske (SPD): „Dieser habe ihn zunächst aufgefordert, die Genehmigung des Generals von Lüttwitz zur Erschießung der beiden Gefangenen einzuholen, und nach der Einwendung Pabsts, ›die werde er nie bekommen‹, mit den Worten reagiert, ›dann müsse er selbst verantworten, was zu tun sei‹.«

Daraufhin gab Pabst einer Spezialeinheit aus Marineoffizieren den Befehl Liebknecht und Luxemburg auf dem Transport ins Gefängnis umzubringen. Liebknecht wurde im dunklen Tiergarten nach einer fingierten Panne, von den Offizieren,

Kapitänleutnant Horst von Pflugk-Harttung (29),

Oberleutnant zur See Ulrich von Ritgen (24),

Leutnant der Reserve Rudolf Liepmann (24),

und Leutnant zur See Heinrich Stiege (23), von hinten erschossen.

Rosa Luxemburg wurde noch vor dem Eden-Hotel, von dem Marineleutnant Hermann Souchon (29), der auftragsgemäß aus dem Dunkel auf das abfahrende Auto aufsprang, mit einem aufgesetzten Schuss ermordet. Ihre Leiche wurde auf Befehl des Transportführers Kurt Vogel in den Landwehrkanal geworfen.

 

Klaus Gietinger liegt nun eine weitere Aussage eines renommierten Militärhistorikers, Ernst-Heinrich Schmidt und Oberstleutnant a. D. der Bundeswehr vor, der im Militärgeschichtlichen Forschungsamt gearbeitet hat (Heimatheer und Novemberrevolution, Hrsg. vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt, Stuttgart 1981). Er ist als junger Offizier Pabst in den sechziger Jahren begegnet und hat dessen Vortrag vor ehemaligen Kadetten gehört. 

Pabst gab darin an, Noske persönlich die Gefangennahme von Liebknecht und Luxemburg bekanntgegeben zu haben und dann auf seinen Vorschlag hin, beide zu erschießen, von Noske (über seine Akten gebeugt) ein Kopfnicken erhalten zu haben. Schmidt bezeichnet Pabst als rücksichtslos, selbstbezogen und egomanisch, aber auch charismatisch und absolut glaubwürdig. (Persönliche Mitteilung von Ernst-Heinrich Schmidt, 4.8.2018.)

Die Verfolgung der Mörder wurde – entgegen der Proteste der Parteibasis - durch Maßnahmen der SPD-Regierung unmöglich gemacht, keiner der Offiziere je zur Rechenschaft gezogen. Ebert und die Parteiführung deckten zudem alle Taten Noskes.

Pabst hat außerdem erwiesenermaßen im März 1919 während des von SPD, USPD und KPD beschlossenen Generalstreikes eine Zeitungsente verbreiten lassen, es seinen dutzende von Polizeibeamten in einem Polizeirevier von Spartakisten ermordet worden. Dies war eine bewusste Falschmeldung, die ihm die Möglichkeit gab Noske einen völkerrechtswidrigen Schießbefehl, eine Lizenz zum Morden, vorzulegen, die nicht nur Gefangenentötung ermöglichte, sondern erlaubte jeden, von irgendjemand, als verdächtig Genannten zu erschießen. Ergebnis: Der Schießbefehl forderte in Berlin in wenigen Tagen mindestens 1200 Todesopfer (darunter Frauen und Jugendliche) und im Mai 1919 in München nochmals 1000, sowie weitere 1000 1920 im Ruhrgebiet. In den wenigen Gerichtsverhandlungen, die auf diese Morde folgten, sagte Noske immer so als Zeuge aus, dass die Täter freigesprochen wurden. Noskes Befehl war der Beginn des Staatsterrors in Deutschland.

Klaus Gietinger, This email address is being protected from spambots. You need JavaScript enabled to view it., www.gietinger.de